Non-Reviews
1Kommentar

Nur noch diese Trophäe!

von am 24. Dezember 2016
Details
 
Artikel-Kategorie
 

Lesezeit: 3 MinutenAls zielorientiertes Wesen strebt der Mensch stets nach Errungenschaften und positiven Momenten. Wie diese aussehen, hängt allerdings von den Interessen und vor allem “Fähigkeiten” des Einzelnen ab. Zum Beispiel hat jeder von uns diesen einen unsagbar sportlichen Freund/Kumpel/ungeliebten Bekannten, welcher bestenfalls noch eine Sportart – sagen wir, Handball – bevorzugt. Also steht er pünktlich morgens um halb sechs zum Joggen auf, hängt täglich zwei Stunden im Fitnessclub oder in der Sporthalle ab, ernährt sich diszipliniert und strebt auf diese Art und Weise seinem Ziel entgegen. Das ist aber leider der Freund/Kumpel/ungeliebter Bekannter, welcher an einem Zockerabend statt FIFA 17 mit Handball 17 um die Ecke kommt und sich seitdem wundert, warum er so selten angerufen wird.

Hey, keine schlechte Idee

Und dann gibt es den anderen Kumpel. Dieser steht normalerweise zwischen neun und zwölf Uhr auf, vergisst jeden Monat auf’s Neue seine Mitgliedschaft bei McFit zu kündigen und behauptet, dass Mountain Dew die gleichen Nährstoffe wie frisch gepresster Orangen-Saft hätte. Aber auch er strebt voller Eifer einem Ziel entgegen: so viele Platintrophäen wie möglich auf seiner PS4 zu sammeln. Und er bringt wenigstens das richtige Spiel mit.

Trophäen wurden von Sony erstmalig im Jahre 2008 per Firmwareupdate bei dem Spiel Super Stardust HD eingeführt und gehören seit 2009 fest zu jedem größeren Titel.  Diese geben – ähnlich wie die Errungenschaften bei Steam oder die Erfolge bei Xbox – den Entwicklern die Möglichkeit, die Spieler vor zusätzliche Herausforderungen zu stellen und das Gelingen dieser Herausforderung mit einer kleinen aufpoppenden Nachricht positiv zu sanktionieren. Was anfangs als nette Beilage gedacht war, entwickelte sich mit den Jahren zu einer regelrechten Trophäenjagd bei manchen Spielern, welche sich nicht nur mit ihren Freunden und anderen Spielern nun online – alternativ zu kompetitiven Matches – messen konnten, sondern vor allem sich selbst beweisen konnten, wirklich Alles von dem Spiel zu kennen und gesehen zu haben, falls sie es bis zur Platintrophäe geschafft haben. Was an sich harmlos und spaßig klingt, hat allerdings einen unschönen Nebeneffekt. Anstatt eine trockene Analyse runterzurasseln, werde ich anhand von zwei Beispielen aus eigener Erfahrung zeigen, was ich meine.

Ran an die Arbeit, äh, Trophäe!

Als ich letztes Jahr Fallout 4  für die PS4 zum Geburtstag geschenkt bekam, konnte ich es kaum erwarten, in die postapokalyptische Welt von Boston zu tauchen. Und es hat trotz der Bethesda-typischen Performanceprobleme unsagbar viel Spaß gemacht, alle Ecken dieser Welt zu erkunden. Nach einigen Stunden habe ich allerdings den Fehler begangen und mir die Trophäenliste angeguckt. Ab da änderte sich was: ich fing an, nach den Regeln der Trophäen zu spielen. Also habe ich mit einem meiner Begleiter eine Liebesbeziehung gestartet, habe eine Siedlung gegründet und gepflegt, habe Waffen und Ausrüstung upgegradet, nervige Sidequests angenommen und habe jede verfluchte Pip Boy-Figur gesucht. Und nichts davon hat wirklich Spaß gemacht. Ich habe mir die Trophäen buchstäblich erarbeitet.

Ein ähnlicher Fall lag bei der Bioshock-Collection vor. Endlich konnte ich Bioshock Infinite in anständiger Optik auf der Konsole nochmal durchzocken und das wunderschöne Columbia besuchen – und Momente später in Schutt und Asche legen. Da machte ich dann einen noch größeren Fehler. Ich schaute mir die Trophäenliste an, bevor ich überhaupt das Spiel gestartet hatte. Und schon wusste ein Teil von mir, dass mir nervige Fleißarbeit bevorstand. Bei einem Videospiel. Denn es gab wirklich keinen anderen Grund, 20 Gegner mit der Pistole zu erschießen, als die Errungenschaft “Schalte 20 Gegner mit der Pistole aus”. Das beste Spiel aus dem Jahre 2013, ein Meilenstein für erzählerische Tiefe in Shootern und ich sitze auf der Couch und jage Trophäen hinterher! Ken Levine hätte allen Grund, mir in den Bauch zu treten.

Bioshock Infinite - Heartbreaker Trophy / Achievement Guide

Play it your way!

Doch warum? Warum ärgere ich mich bei Metro: Last Light, dass ich das Spiel mindestens zweimal durchspielen muss, um die Trophäe für beide Enden zu bekommen? Warum spiele ich es nicht einfach das eine Mal durch und bin zufrieden? Weil es eine Gold-Trophäe für beide Enden gibt! Die sind mehr wert als Bronze- und Silber-Trophäen und vor allem seltener und dadurch komme ich schneller zur nächsten Trophäenstufe, die mir überhaupt nichts bringt außer der Gewissheit, dass sie höher ist als von einem gewissen Kollegen. Und vielleicht reicht mir das, als Motivation.

Letztendlich macht es auch Spaß, wenn man eine Challenge absolviert, von der man weiß, dass lediglich 0,8% der anderen Spieler diese ebenfalls geschafft haben. Wie zu Anfang beschrieben, ist es dieses kurze Hochgefühl, wonach wir alle streben und wenn ein Videospiel es schafft, dieses in einem zu wecken, ist das eine großartige Sache. Doch wäre das nicht noch besser, wenn dieses Gefühl davon käme, dass man nach hundert Versuchen den Endgegner bei Doom auf der Schwierigkeitsstufe “Albtraum” erledigt hat und nicht auf Grund der aufpoppenden Silber-Trophäe, wenn man sich bei Uncharted 4 sich alle optionalen Gespräche angehört hat? Beides sind Erfolge, doch nur bei einem weiß ich, dass ich Spaß daran hatte diese zu bekommen. Und bei aller Sammelwut sollte Spaß bei Videospielen wirklich nie auf der Strecke bleiben.

Kommentare
 
Kommentiere »

 
  • Lu
    24. Dezember 2016 at 10:48

    Wunderbarer Artikel. Wo hat dich Chucky so lange versteckt?

    Stimme dir da auch voll zu. Mittlerweile geben mir Trophäen echt nichts mehr, weil sie sich meistens nur nach Arbeit anfühlen. Oft geht es auch nicht ums “schaffen” sondern nur darum genügend Zeit zu investieren. Jeder kann 123098581902 Collectibles sammeln. Aber nur 0,5% der Spieler hatten die Muße dazu…


Du musst eingeloggt sein zum kommentieren