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Chuck My Life #3 – Lars Croft und sein Riesendödel

von am 10. März 2017
 

Lesezeit: 5 MinutenIch wohne seit über drei Jahren in einer WG und bislang komme ich mit meiner Mitbewohnerin Laura auch eigentlich sehr gut zurecht. Aber in letzter Zeit beschäftigt sie sich verstärkt mit Feminismus und erzählt mir immer mehr über Gender-Studies und bombardiert mich mit Worten wie “Mansplaining” und “Patriarchat”. Ich mag Laura eigentlich, aber seit sie sich mit diesem Thema auseinandersetzt, versteht sie keinen Spaß mehr. Wir schauen Serien zusammen und dann regt sie sich auf, dass irgendetwas nicht “genderpolitisch korrekt” war. Ich fühle mich unterdrückt. Ich darf Menschen ja nicht einmal mehr als “Pussy” bezeichnen, weil ich damit angeblich impliziere, dass Frauen schwach seien. So eine kleinkarierte Scheiße. Wahrscheinlich hatte sie nur ihre Tage. So sind Frauen eben; was will man machen? Ich frage mich sowieso, warum sie sich damit beschäftigt? Ihr geht es doch gut! Sie kann studieren, wählen, arbeiten und im Prinzip alles tun, was wir Männer tun können. Das ist doch alles Gejammer auf hohem Niveau. Mittlerweile müssten wir Männer uns eigentlich emanzipieren! Was wir alles nicht mehr sagen und tun dürfen! Die Frauen wollen doch gar keine Gleichheit! Sie wollen unseren Platz in der Gesellschaft einnehmen und früher oder später sind wir Sklaven des Matriarchats.

So, genug davon. Ich wünschte, ich könnte sagen, das wäre alles nur ein Scherz, aber es gab einmal vor ewigen Jahren tatsächlich eine Zeit, da dachte ich wirklich ein wenig so. Meine Einstellung war nicht ganz so extrem, aber ich dachte ernsthaft, dass wir Männer die Opfer seien. Ich dachte, Feministen seien Spielverderber, die in jedem Scherz eine Möglichkeit sehen, sich zu echauffieren. Ich hasste Feminismus, weil ich mich von ihm angegriffen fühlte. Ich hasste die Tatsache, dass es keinen Weltmännertag gab, oder er zumindest nicht annähernd so viel Beachtung erhielt wie das weibliche Äquivalent. Ich hasste Political Correctness und ich hasste es, dass keiner mich und mein Geschlecht beachtete. Es ist als Mann oft schwierig, sich in die Situation einer Frau hineinzuversetzen, denn wir genießen seit unserer Geburt so viele Vorteile, dass wir sie oft gar nicht sehen oder nicht sehen wollen. Schließlich ist es immer so gewesen.

Daher erzähle ich euch jetzt als verspäteten Beitrag zum Weltfrauentag eine kleine Geschichte, die insbesondere uns Männern hoffentlich ein wenig hilft, die eigentliche Problematik zu erkennen.

Stellt euch vor, ihr wärt ein kleiner Junge. Es ist Weihnachten und ihr erhaltet ein brandneues Super Nintendo mit zwei Controllern und ganz vielen Spielen. All eure Freunde haben eins und nun gehört ihr auch dazu! Ihr rennt in euer Zimmer und probiert das Gerät sofort aus. Ihr schließt die Kabel an euren alten Röhrenfernseher, steckt das Gamepad ein, pustet in die Cartridge und ab geht die Post. Anfangen wollt ihr mit einem Adventure-Game. The Legend of Link. Klingt spannend. Ihr startet das Spiel und müsst mit Ernüchterung feststellen, dass ihr gar nicht Link steuert, sondern Prinzessin Zelda. Ihr hattet gehofft, einen männlichen Protagonisten spielen zu können, aber stattdessen seid ihr eine Prinzessin und müsst den kleinen, grüngekleideten Elfenjungen aus der Gefangenschaft befreien und die Welt retten. In der Schule erzählt ihr euren Freunden davon und die Mädchen werfen euch vor, ihr würdet euch nur anstellen und immerhin wurde das Spiel nach einem männlichen Titelcharakter benannt und das müsse doch wohl reichen.

Nach der Schule werft ihr Super Street Fighter rein und wollt gegen einen Freund spielen. Bei der Kämpferauswahl wird euch bewusst, dass nur zwei männliche Charaktere zur Auswahl stehen und die sind extrem knapp bekleidet und haben gigantische Penisse, die so sehr im Mittelpunkt stehen, dass ihr euch noch eher mit den weiblichen Charakteren identifizieren könnt, als mit diesen plakativen, übersexualisierten Männerkarikaturen, die das Game euch unterjubeln will.

Ihr probiert es mit anderen Spielen: Disney’s Die Königin der Löwen, Super Peach World, Janine Bond: Golden Eye und mit der Zeit setzt Resignation ein. Die Spiele sind nicht einmal schlecht und ihr habt Spaß an der Sache, also findet ihr euch damit ab, Frauen spielen zu müssen. So ist die Welt eben und ihr könnt euch bestimmt auch in weibliche Charaktere hineinversetzen.

Mit der Zeit lernt ihr immer mehr Spiele und Konsolen kennen. In Tomb Raider findet ihr dann euren ganz persönlichen Helden: Lars Croft! Ein Mann, der all das kann, was nach öffentlicher Meinung sonst immer nur Frauen konnten. Er wird zwar auch mit einem eher überdurchschnittlich großen Penis dargestellt, aber damit kommt ihr klar, denn Lars ist taff und mutig und überwindet alle Hindernisse, die sich ihm in den Weg stellen.

Spiele wie Dragon Age, Fallout, The Elder Scrolls und Mass Effect lassen euch dann endlich auch euren eigenen Helden erschaffen! Einen männlichen Helden, geschaffen nach eurem eigenen Abbild. Natürlich können die Frauen auch einen weiblichen Helden erstellen. Ist ja auch nur fair. Aber endlich werdet ihr repräsentiert. Das lässt euch schon fast über die Frauen hinwegsehen, die euch belächeln. Sie sagen, ihr wärt “Fake Gamer Guys” und würdet nur die Aufmerksamkeit von weiblichen Nerds suchen. Aber ihr wisst es besser. Ihr mögt Videospiele und egal, wie sehr die Frauen davon überzeugt sind, Gaming sei ein Frauenhobby, lasst ihr euch nicht unterkriegen.

Die Jahre ziehen ins Land und die Spiele gehen mit der Zeit. Lars Croft wird überarbeitet. Sein Penis wird kleiner gemacht, ein wenig an den männlichen Durchschnittspenis angepasst. Ergibt Sinn. Wieso spielt es überhaupt eine Rolle, ob Lars einen gigantischen Hammer in der Hose hat oder nicht? Plötzlich bricht ein Shitstorm los. Viele Frauen fühlen sich betrogen. “Früher war Lars Croft viel heißer und männlicher!”, schreiben sie. “Da war damals eine riesige Beule in seiner Hose! Mittlerweile sieht er ja fast aus wie eine Frau mit seinem kleinen Schniepel!”
Ihr könnt darüber nur den Kopf schütteln.

Die Gamingszene wandelt sich. Männer werden immer mehr toleriert, dann akzeptiert und schließlich willkommen geheißen. Ihr zockt Call of Duty: Modern Warfare, denn ihr liebt Ego-Shooter und über Voice-Chat unterhaltet ihr euch freundlich mit eurem Team. Plötzlich brüllt euch ein dreizehnjähriges Mädchen ins Ohr. “Make me a sandwich!” und “DICK OR GTFO!” knallt euch das Mädchen um die Ohren. Ihr hört einige Frauen im Chatroom leise lachen, während euch bewusst wird, dass ihr als Männer immer noch die Außenseiter in der Szene seid. Alles, was ihr wolltet war Gleichheit. Ihr wolltet einfach nur zocken und repräsentiert werden.

Und jetzt stellt euch vor, es ginge nicht nur um Videospiele. Stellt euch vor, ihr wärt Profifußballspieler und eure Stadien blieben leer, weil es ja “nur stinklangweiliger Männerfußball” sei. Stellt euch vor, ihr wärt Polizist und die Mädchen, die ihr wegen einer Ruhestörung ermahnt, lachen euch aus, weil ihr ja nur ein Mann seid. Stellt euch vor, ihr wärt Schauspieler, oder Pilot oder gar Aktienbroker und eure weiblichen Kolleginnen würden mehr verdienen, einzig und allein weil sie Frauen sind.

Stellt euch vor, ihr dürftet nur das tun, was von euch erwartet wird. Und wenn ihr doch einmal aus dieser für euch vorgeschriebenen Rolle herausbrecht, werdet ihr nicht ernstgenommen. Einige Menschen sagen euch, ihr wolltet den Frauen die Rechte wegnehmen, dabei verlangt ihr nur die gleichen Rechte. Euer Leben ist in ihren Augen einfach, solange ihr die Klamotten tragt, die man als Mann trägt, solange ihr die Hobbies habt, die man als Mann hat und solange ihr nicht versucht, mehr zu sein, als „nur ein Mann“.

Und was wirkt, wie ein absurdes Gedankenexperiment, ist im echten Leben für das weibliche Geschlecht die harsche Realität. Es wirkt skurril, unfair und vollkommen unmöglich.

Stellt euch vor, wie es für Frauen wirken muss.

Artikel der Rubrik “Kommentare” sind persönliche und subjektive Meinungsäußerungen unserer Redakteure. Darin geäußerte Meinungen geben nicht unbedingt die Meinung von IKYG oder der Redaktion wieder.
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