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Chuck My Life #1 – Er ist würfelförmig…

von am 21. Oktober 2016
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Lesezeit: 4 MinutenDie folgende Geschichte handelt davon, wie ich dem EA-Kundenservice die Form meiner Genitalien beschrieben habe.

Vor ein, zwei Jahren war ich in der Duisburger Innenstadt. Ich brauchte neue Klamotten, musste zum Friseur und war generell froh, einfach mal aus dem Haus zu kommen. Es war Anfang des Monats, mein Gehalt war frisch auf meinem Bankkonto angekommen und ich hatte Urlaub. Perfekte Konditionen, um mir auch ein neues Videospiel zu kaufen und meine freien Tage mit rekreativen, virtuellen Gewaltexzessen zu verbringen. Ich machte halt an einem sehr bekannten Videospielfachladen, dessen Namen ich hier nicht nennen möchte und ließ meinen Blick über die Regale streifen.

Electronic Arts’ hochgelobter Ego-Shooter Titanfall war für den läppischen Preis von nur 20 Euronen zu erwerben. Bei diesem Schnäppchen, das ich im Internet für die Hälfte hätte kriegen können, musste ich einfach zuschlagen. Der freundliche Mitarbeiter legte die DVD in die Hülle, fragte mich, ob ich eine Versicherung für das Spiel abschließen wolle, ob ich an einer Sondersparaktion teilnehmen möchte, ob ich eine Kundenkarte besitze, ob ich eine Kundenkarte haben möchte, ob ich eine Tüte bräuchte und ob er mir neue Winterreifen draufziehen soll. 20% auf alles außer Tiernahrung. Ich verneinte alles, dankte ihm und verließ den Laden genervt und glücklich.

Zuhause angekommen konnte ich es kaum erwarten. Parkour-Action, riesige Roboter, und jede Menge Explosionen! Was brauchte ich mehr? Also öffnete ich Origin und gab den Titanfall-Key ein, woraufhin Ernüchterung folgte. Ich erhielt die Fehlermeldung, dieser Key sei bereits in Benutzung. Vermutlich hatte ich mich vertippt. Ich gab den Key also noch einmal ein. Und noch einmal. Und noch einmal. Und dann wurde mir klar, dass das ein langer Tag werden würde. Ich rief bei besagtem Videospielfachhändler – nennen wir ihn StopGames – an und erklärte dem netten Verkäufer die Situation. Dieser erklärte mir, dass sie die Keys nicht selbst generieren und ich mich deshalb beim EA-Kundensupport melden sollte. Das klang logisch. Das sah ich ein. Also startete ich eine kleine, intime Chatsession mit meinem Sachbearbeiter. Dieser nahm all’ meine Daten auf, stellte einige Fragen und erklärte mir dann, dass sie die Keys nur erstellen und das System keine Fehler macht. Er erklärte mir in sehr fehlerhaftem Deutsch, dass StopGames den Key zwei Mal verkauft haben muss und ich mich dort noch einmal melden sollte. Das klang ebenfalls logisch. Das sah ich ein.

Also rief ich erneut bei StopGames an und erklärte dem netten Verkäufer am Telefon, dass EAs System keine Fehler macht und StopGames den Key zwei Mal verkauft haben muss. Der nette Verkäufer lachte und erklärte mir freundlich, dass die Leute bei EA gerne die Schuld auf StopGames schieben und der Chatsupport einem nie wirklich helfen könne. Ich solle stattdessen bei EA anrufen und ihnen sagen, dass sie mir einen neuen Key generieren sollen.

Ich begann, zu zweifeln. Würde ich wohl mit dem gleichen Typ telefonieren, mit dem ich gechattet hatte? Würde er mich wohl mit einer weiteren Ausrede an StopGames verweisen? Ich bereitete mich mental vor, in den Wutbürgermodus zu wechseln. Servicewüste Deutschland, würde ich schreien! Abzocke! Anwalt! Ich kenne meine Rechte! Vor Wut schnaufend wählte ich die Telefonnummer und machte mich bereit, meinem Sachbearbeiter die Hölle heiß zu machen. Die Computerstimme, die mich begrüßte und mir erklärte, dass schon bald ein freier Mitarbeiter für mich da sein würde, fachte meinen Hass nur noch weiter an. Aber dann geschah etwas, womit ich nicht gerechnet hatte:

“Hallo, mein Name ist Jennifer, wie kann ich Ihnen helfen?”

Eine engelsgleiche Stimme begrüßte mich zuckersüß und erstickte meinen Hass im Keim. Ich schilderte ihr mein Problem und sie erklärte mir, dass das alles kein Problem sei und ich einfach nur den gesamten Inhalt der DVD Box, mit dem Kassenbon zusammen fotografieren und ihr per Mail zuschicken solle, dann würde sie mir einen neuen Key zusenden. Ich war sofort verliebt. Meine beschwerliche Reise durch die Servicewüste sollte hier ihr Ende finden. Ich tat also wie mir geheißen und schickte ihr das geforderte Foto, verkniff es mir aber, ein Herz auf den Kassenbon zu malen. Dann rief ich sie noch einmal an und sie erklärte mir, dass damit eigentlich alles geregelt wäre. Sie müsse nur eben meinen Account überprüfen und mir die Sicherheitsfrage stellen. Und in diesem Moment erstarrte ich, denn mir fielen genau zwei Sachen ein:

1. Man kann sich bei Origin seine Sicherheitsfrage selbst ausdenken.
2. Es gibt einen Insiderwitz in meinem Freundeskreis, der sich auf die geometrische Form meiner Genitalien bezieht.

Jennifer begann zu lachen, versuchte dabei die Fasson zu bewahren und vor all’ ihren Kollegen im Call-Center fragte mich diese fremde Frau:

“Welche Form hat Ihr Penis, Herr Khongklad?”

Sehr kleinlaut, während ich im Boden versank, erklärte ich ihr, er sei würfelförmig und sie prustete erneut laut los. Im Hintergrund hörte ich auch ihre Kollegen lachen und dann eine Männerstimme, die ihr offenbar etwas erklärte. Jennifer, die mittlerweile wieder einigermaßen zu sich gefunden hatte räusperte sich und erklärte mir dann, dass ihr Chef ihr gerade gesagt hätte, dass EA zum Erstellen der Keys ein Computersystem benutzt. Und das System macht keine Fehler. Ich solle doch bitte zu StopGames gehen und dort einen neuen Key einfordern. Dann bedankte sie sich noch dafür, dass ich ihren Arbeitstag sehr viel unterhaltsamer gemacht hatte und wir legten auf.
Ich war am Boden zerstört. Ich hatte nur Titanfall spielen wollen. Stattdessen wurde ich von Servicecenter zu Servicecenter geschickt und ein Raum voller Menschen hatte über meinen Penis gelacht. Ich ging ins Bett. Am nächsten Tag fuhr ich erneut in die Innenstadt und ging zu dem netten Verkäufer bei StopGames und bettelte ihn an, er möge mir doch einfach nur mein Geld oder einen neuen Key geben. Er sah offenbar die Verzweiflung in meinen Augen und erbarmte sich. Er nahm die DVD entgegen und sagte, er würde für mich eine Ausnahme machen und mir das Geld erstatten. Kurz überprüfte er den Inhalt der DVD Box, sah sich die Disc an – die die Box übrigens nicht ein einziges Mal verlassen hatte – und erklärte mir, die DVD sei zerkratzt und er könne das Spiel so nicht zurücknehmen. Ich solle mich doch bei EA melden.

Ich habe bis heute nie Titanfall gespielt.

PS: Jennifer, wenn du das hier liest, dann schreib mir unter chucky@iknowyourgame.de.

Kommentare
 
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  • Turbolu
    22. Oktober 2016 at 09:02

    Bitte lass das den Anfang einer wunderbaren Artieklreihe sein.
    Ich liebe es! <3


  • Christian
    22. Oktober 2016 at 17:25

    Also lange, SEHR LANGE habe ich keine vergleichbare Anekdote gelesen. Dieser Artikel ist pures Gold! 😀
    Mir gefällt auch der Schreibstil sehr gut. Die eingebauten Assoziationen sorgen für eine lebendige Erzähle. Top, bitte mehr davon!

    P.S. an deiner Stelle wäre ich in diesen ominösen Spiele Laden gegangen und hätte zornig die Story vom Service Gespräch erzählt. Dann hättest du das Spiel bestimmt bekommen. 😀

    P.P.S. Halte uns bitte auf dem Laufenden, wenn Jennifer sich meldet!


  • DaHamper97
    23. Oktober 2016 at 12:37

    Ich kann nicht mehr :’D Ich glaube mein Lachgetriebe ist kaputt! Der Artikel war einfach super. Bitte mehr 😀


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